Eine neue Finanzkrise am Horizont?
Die auf Crypto-Währungen spezialisierte Silvergate Bank und die SVB (Silicon Valley Bank) waren bis vor kurzem außerhalb der USA nur den wenigsten bekannt. Die deutlich größere SVB hatte vor ihrer Insolvenz eine Bilanzsumme von ca. 200 Milliarden USD und gilt als größte Bankenpleite seit Lehman Brothers. Das Kerngeschäft der SVB lag im Finanzieren von Silicon Valley Firmen, von den ersten Finanzierungsrunden der Start-Ups bis hin zur Begleitung der normalen Geschäftstätigkeit. Zu ihren Kunden gehörten auch Uber und Airbnb.
Was war passiert?
Die SVB hatte Kundeneinlagen teilweise in US-Treasury Wertpapiere investiert. Per Dezember 2022 waren ca. 40% der Vermögenwerte der Bank in als „Held-to-maturity“ (HtM) (nach IFRS) bilanzierte Wertpapiere angelegt. Die Anlagen haben durch die mit sinkenden Kursen einhergehenden Zinserhöhungen der US-Fed deutlich an Wert verloren. Der Wertverlust musste zunächst nicht realisiert werden, da die HtM Papiere lediglich zu amortisierten Kosten zu bilanzieren sind. In der aktuellen Marktlage bedeutet dies jedoch, dass die Bank massive stille Lasten aufwies, welche nicht schlagend wurden, solange die Papiere nicht verkauft werden mussten. Unter anderem aufgrund des rückläufigen Neugeschäfts sah sich die Bank dazu gezwungen, eine Kapitalerhöhung anzukündigen. Dies versetzte die Stakeholder in Aufruhr, was wiederum zu einem Bank-Run führte. Dieser Bank-Run hatte zur Folge, dass die Wertpapieranlagen liquidiert und zeitgleich Verluste realisiert werden mussten. Die Vermögenswerte der Bank werden derzeit von der FDIC behördlich abgewickelt.
Ein ähnliches Schicksal traf die Silvergate Bank. Dort führten der durch den FTX Bankrott ausgelösten Vertrauensverlust in der Krypto-Industrie und damit verbundene hohe Depotabflüsse zu Zwangsveräußerungen von HtM Papieren. Diese Veräußerungen führten wiederum analog zu SVB zu massiven Verlust-Realisationen.
Fachlicher Zusammenhang
Die Situation beider Banken ist auffällig ähnlich. Es wurden zur Anlage aus Kreditrisikosicht sichere Papiere gewählt. Diese Papiere waren jedoch aufgrund der inversen Korrelation der Preise festverzinslicher Wertpapiere und der Zinsentwicklung aus Marktrisikosicht anfällig für steigende Zinssätze. Typischerweise würde dieses Risiko im Rahmen der Marktrisikosteuerung beispielsweise über Sicherungsgeschäfte wie Swaps begrenzt. Durch die Behandlung und Bilanzierung der Wertpapiere als HtM wurden die Anlagen offensichtlich nicht im Rahmen der Marktrisikosteuerung berücksichtigt. Die so entstandene explosive Mischung benötigt lediglich einen Auslöser für Verkäufe der HtM Papiere, wie in den Beispielen oben beschrieben, um erhebliche Verluste realisieren zu müssen. Es handelt sich folglich um ein mit einem hohen Liquiditätsrisiko verbundenes Marktrisiko.
Globale Auswirkung
Entgegen der Pleite von Lehman Brothers erscheint die Situation bei der SVB aus Sicht der Finanzmärkte zunächst deutlich weniger kritisch. Der Zugriff auf sämtliche Einlagen der SVB sowie der ebenfalls insolventen Signature Bank werden von der FED garantiert. Dies obwohl ein Großteil der Einleger die FDIC-Maximalsumme von 250.000 USD übersteigen.
Kritischer erscheint hingegen die grundlegende IFRS-Praxis mit HtM Papieren, spezifisch in einer Situation, mit stark steigenden Marktzinsen. Bleiben die Zinssätze stabil oder fallen, ist das implizite Marktrisiko der HtM-Papiere quasi nicht vorhanden. Bis vor ca. einem Jahr befanden sich die Märkte in einer stabilen Phase sinkender Leitzinsen, so dass das beschriebene und nun eingetretene Risiko deutlich unterschätzt wurde.
Die gleiche explosive Mischung aus stark steigenden Zinsen, verbunden mit einer hohen HtM Position, lässt viele nach IFRS bilanzierende Banken verwundbar für ähnliche Liquiditätsszenarien erscheinen. Entsteht bei einer größeren Bank ein Auslöser für starke Liquiditätsabflüsse, so könnten der Zwangsverkauf und die darauf folgende Abwicklung gravierende Folgen haben, da ein Vertrauensverlust zu einem globalen Bank-Run führen könnte.
Was kann getan werden?
Die tatsächlichen Auswirkungen und mögliche Szenarioverläufe sind schwer vorherzusagen, da (mindestens) vier maßgebliche Faktoren eine Rolle spielen:
- Die Reaktion der Zentralbanken und Politik. Der Markt erwartet grundsätzlich weniger Dynamik bei den Zinssätzen, um die Situation nicht weiter zu verschärfen.
- Die Bilanzstruktur der Banken und anderer Marktteilnehmer in Bezug auf HtM Vermögenswerte und damit vorhandene stille Lasten.
- Die Markt- und Liquiditätsrisikostrategie sowie das Management der Institute.
- Die Reaktion der Einleger und der Märkte allgemein.
Aus diesen beispielhaften sowie weiteren Faktoren empfiehlt es sich, die Anfälligkeit des eigenen Hauses (direkt sowie indirekt) szenariobasiert zu ermitteln.
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