BaFin fordert ernsthaftere Auseinandersetzung mit „Nachhaltigkeitsrisiken“

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Mit dem am 24.09.2019 herausgegebenen Merkblatt zum Thema „Nachhaltigkeitsrisiken“ möchte die BaFin den von ihr beaufsichtigten Unternehmen eine Orientierung im Umgang sowie Empfehlungen zu „Good practices“ geben. Das Merkblatt soll eine sinnvolle Ergänzung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement sein. Es ist zwar rechtlich/juristisch nicht verbindlich, allerdings führt die Erwartung der Aufseher meist dazu, dass sich hieraus zügig gängige Marktstandards entwickeln. Die Nachhaltigkeitsrisiken sollen dabei ESG-Risiken umfassen: Environmental, Social, Governance – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Das Merkblatt ist als Ergänzung zu sehen, bestehende gesetzliche Regelungen werden dadurch nicht ersetzt. Interessant ist der Veröffentlichungszeitpunkt des Merkblatts, 5 Monate nach dem ersten Bericht zum Thema durch das Network for Greening the Financial System (NGFS) zu den ESG-Risiken. Auch seitens der Europäischen Kommission gab es schon im Frühjahr 2018 einen Aktionsplan mit Empfehlungen, die in Regulierungsvorschläge sowie Politikmaßnahmen umgesetzt werden sollen. Somit scheint das Merkblatt der BaFin ein Vorbote von weiteren politischen Initiativen / Regulierungsvorschlägen zu sein und die Frage ist nicht ob, sondern wann und in welcher Ausprägung und Detailtiefe diese kommen.

Das Merkblatt nimmt dabei folgende Abgrenzungen und Definitionen vor:

Zu Umweltrisiken zählen neben Klimaschutz und Schutz der biologischen Vielfalt auch Themen wie nachhaltige Landnutzung, Abfallvermeidung, Recycling, Bekämpfung von Umweltverschmutzung und einiges mehr.

Unter sozialen Risiken fallen beispielsweise die Vermeidung von Kinder- und Zwangsarbeit, faire Bedingungen, Gesundheitsschutz aber auch Steuerehrlichkeit oder Rücksichtnahme auf Gemeinden und soziale Minderheiten. Auch das brisante Thema der unterschiedlichen Gehaltsniveaus von Männern und Frauen ist hier angesiedelt.

Das Risiko Unternehmensführung umfasst grundsätzliche Themen wie Korruptionsverhinderung, Datenschutz, Arbeitnehmerrechte, Informationsoffenlegung aber auch brisante Themen wie die Vorstandsvergütung in Abhängigkeit von Nachhaltigkeit.

Diesen Nachhaltigkeitsrisiken soll Rechnung getragen werden, indem für diese Verantwortlichkeiten, Prozesse, Ressourcen und Funktionen bestimmt und festgelegt werden – eine große Herausforderung für viele Unternehmen.

Gefragt sind hier insbesondere die Geschäftsführung mit der entsprechenden strategischen Ausrichtung sowie das Risikomanagement in Bezug auf die Abbildung. Dabei sollte neben der Berechnung und dem Stresstesting von Nachhaltigkeitsrisiken, auch eine eventuelle Miteinbeziehung von speziellen ESG-Ratings angedacht werden.

Finanzunternehmen können und sollen aufgrund ihrer Stellung in der Gesellschaft einen Beitrag zu den immer wichtiger werdenden Umwelt- und Ressourcenthemen leisten. Dies ist nicht nur über den Kapitalmarkt sondern auch über andere Geschäftssparten von Finanzunternehmen möglich, z.B. welcher Kunde erhält für welche Investitionen einen Kredit. „Know Your Customer“ bekommt unter diesem Blickwinkel eine neue Bedeutung. Und natürlich kommen bei einer Risikoart, deren Einschätzung bzw. Bewertung externe Experten erfordert, auch etliche Fragen auf:

  • Werden die Prozesse, bspw. bei Kreditvergaben, dadurch deutlich verlangsamt?
  • Betreffen die Änderungen hauptsächlich institutionelle Kunden oder werden auch Privatkunden davon betroffen sein, je nachdem welche Anschaffungen getätigt werden oder wie nachhaltig gebaut wird? Steht die Immobilie an einem durch den Klimawandel gefährdeten Ort?
  • Schränkt man dadurch die Reichweite der Finanzinstitute ein?
  • Haften Experten für ihre Meinungsabgaben?
  • Welcher Experte kann und darf zu welchen Themen Stellung nehmen?
  • Wer trägt die Kosten für die Einholung von Expertenmeinungen?
  • Was, wenn sich Experten widersprechen?
  • Geraten kleinere Institute dadurch in einen Wettbewerbsnachteil?

Die Erwartungshaltung der Branche ist weitestgehend positiv, es wird mit einem deutlichen Anstieg von grünen Investments, vorrangig von institutionellen Anlegern, gerechnet – eine Konzentration auf ebendiese ermöglicht viele dieser Projekte überhaupt erst. Ob dies dem aktuellen Trend oder tatsächlichem Bewusstseinswandel zuzurechnen ist, wird sich erst zukünftig offenbaren. Aktuell liegt der Investitionsanteil bei grünen Fonds bei lediglich 4,5%. Ob die Veränderung in den Portfolien zu Rendite-Einbußen führen wird, darüber sind sich Experten sowie Finanzinstitute uneinig.

Für Bewertungszwecke werden unzweifelhaft eine Vielfalt an derzeit noch nicht erhobenen oder erfassten Daten benötigt, die die Datenlandschaft ein weiteres Mal vor komplexe Herausforderungen stellen wird. Ob die engere Bandbreite der Investitionsauswahl sich durch den Wettbewerb von selbst lösen wird oder zu einem höheren Risiko (z.B. Streuung) führen wird, wird sich erst zeigen. Auch welche Kriterien sich zum Standard entwickeln oder ob sich eine Art “grünes Siegel” (ESG Kriterien) etablieren und durchsetzen wird, ist derzeit noch offen. Aktuell finden die Green Bond Principles der International Capital Markets Association (ICMA) und der Climate Bond Standard von Climate Bonds Initiative (CBI), die genauen Definitionen und Vorgaben unterliegen, die größte Anerkennung im Kapitalmarkt.

Stellungnahmen zum Entwurf können bis zum 03.11.2019 eingereicht werden.

Sehr gerne diskutieren unserer Experten mit Ihnen die sich aus den Entwicklungen und Regelungen abzuleitenden Handlungsnotwendigkeiten im Risikomanagement und unterstützen Sie bei der Implementierung der notwendigen neuen Prozesse und Risikobewertungsmethoden. Sprechen Sie uns gerne jederzeit dazu an!

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